Sonntag, 5. Dezember 2004

Unter Menschen gewesen.

Zu einem Musik-Workshop gewesen. Drei Tage. Weltabgeschieden. Ganz unterschiedliche Menschen kamen da aus einem gemeinsamen Interesse zusammen.

Tagsüber wurde ge„arbeitet”. Abends und nachts bis in den frühen Morgen hinein wurde Musik gespielt, gesoffen und auch bißchen geflirtet, geäugelt, geknutscht und gefummelt.

Dies alles war mir neu. Seit vielen Jahren war ich nicht mehr bei einem solchen Ereignis, bei dem ich in Freizeit- Atmosphäre viele neue Menschen treffe (zuletzt 1978 bei einer Rüstzeit der evangelischen Jugendarbeit...).

Ich konnte Beobachtungen anstellen und auch eigene neue Erfahrungen machen.

--- Unter den größeren Jugendlichen sitzt schnell mal eine bei einem Mann auf dem Schoß und es hat nichts weiter zu bedeuten. Für mich kommt so etwas nur entweder als klare „scherzhafte” Vertraulichkeit oder als Schritt mit Bedeutung in Frage. Aber nicht einfach so, wahllos. - Ich muß das verallgemeinern: Es gab auch ein Pärchen im gesetzteren Alter, das körperlich recht vertraulich miteinander umging und wo es angeblich „nur” Freundschaft ist. Noch mal: mit einer solchen Grauzone habe ich so meine Schwierigkeiten.
--- Es gab sogar ein knutschendes jugendliches Pärchen, von dem sich nachher herausstellte, daß sie überhaupt nicht zusammen sind. Das entspricht nicht meiner Sichtweise, ist unter den heutigen Jugendlichen aber wohl normal. Wo beginnt es dann wirklich aufregend zu werden? Das entwertet Küsse zur Beliebigkeit. - Für mich hat jeder Kuß einen Wert. Schon allein, weil ich zuwenig davon bekomme.
--- Ich war nicht gut gekleidet (das Letzte, was der Kleiderschrank noch hergegeben hatte, gepackt) und ich war schlecht frisiert. Ich war unrasiert. Und trotzdem wandten zwei Frauen mir ihr Interesse zu. Und zwar jeweils mit einer Kombination aus den Fragen: „Bist du verheiratet?” (nicht etwa: „Bist du gebunden”, „Hast du eine Partnerin” oder gar „Bist du noch zu haben?”, nein: „Bist du verheiratet?”), „Hast du Kinder?” und „Wie alt bist du?” Diese Fragen wurden unmittelbar hintereinander gestellt. Frontal. Die Antworten ohne Kommentar angehört. Das war allerdings jedesmal mit auf beiden Seiten einigem Alkohol intus. Es folgten dann Blickkontakte, bald und/oder später. Meine Überlegungen dazu: Diese Frauen hatten sich vorher schon innerlich mit mir befaßt und ein gewisses Interesse an mir entwickelt. Nach meiner Antwort ließ ihr Interesse nicht nach.
--- Ich habe festgestellt, daß ein sogenannter Blickkontakt verschiedenes bedeuten kann: Er kann dazu dienen, sich der eigenen Wirkung zu vergewissern („Immer noch kann keiner meinem Augenklimpern widerstehen. Gut so.”), ohne daß weitere Absichten damit verbunden sind. Das nenne ich Kokettieren. Er kann aber auch dazu dienen, anzulocken - mit weiteren Absichten.
--- Ich sollte überlegen, ob ich ein solches Vorgehen auch mal ausprobiere. Dummerweise fehlt mir der Vergleich zu der Reaktion auf die Antwort: „Ja, ich bin verheiratet.”
--- Wie kann es sein, daß eine 16jährige mir schöne Augen macht, nicht nur im alkoholisierten, sondern auch im nüchternen Zustand? Immer wieder zu mir hinblickt, bis ich schließlich mal zufällig zu ihr hinschaue und mein Blick von ihr eingefangen wird? Die sich darüber klar sein muß, daß ich viel, viel älter als sie bin? Was habe ich auf einmal an mir? Kann mich an etwas Ähnliches nicht erinnern. Bei dieser Minderjährigen war es wohl so was wie „schwärmerisches Verliebtsein”. Bei der Abreise schaute sie zu mir her, wir gingen aufeinander zu und sie verabschiedete sich von mir. Ich gab ihr einen Kuß auf die Wange. Die genaue Reihenfolge weiß ich nicht mehr. Faszinierend, wie man durch winzige Kleinigkeiten in einer zehntel Sekunde wissen kann, ob ein Kuß (z. B.) erwünscht ist. - Irgendwie war es nicht dazu gekommen, daß wir länger/näher aufeinander eingehen (z. B. in einem längeren Gespräch, wozu Gelegenheit gewesen wäre). Trotzdem dieser gefühlsbetonte Abschied. Wir haben nicht mal irgendwelche Kontaktdaten ausgetauscht. Vielleicht ist das auch besser so, denn sie könnte ganz locker meine Tochter sein. Aber es geht mir doch nahe, und ich habe schöne Phantasien. Trotz meiner eher geringen Erfahrungen könnte ich mir vorstellen, daß sie mit meiner gereiften Art Erlebnisse haben könnte, die sie bei einem jungen Hüpfer nicht unbedingt finden kann. Auch entbehrt es nicht der Erregung, mir einen solch jung-fraulichen Körper vorzustellen. Aber das sollte ich alles als Unvernunft eines alten Sackes beiseite tun. Sie war gerade siebzehn Jahr. Vielleicht sollte ich mich mal mit der strafrechtlichen Seite von so was befassen.
--- Interessante Geschichte gehört, wie ein Paar zusammengekommen ist: Sie war wieder ohne Partner. Ihre Freundin fragte sie, ob sie mit in die Disco kommen will. Sie sagte, daß sie eigentlich nicht in der Stimmung dazu wäre, ließ ich aber überreden. Sie ging an die Bar. Die war leer, bis auf einen einzelnen Mann am anderen Ende. Sie kamen auf sein Getränk zu sprechen, das sie schon mal gesehen hatte, aber nicht wußte, was es ist. Er bot ihr davon an. [Kommentar: damit war die erste Hürde genommen: nämlich ins Gespräch zu kommen] Schließlich waren es ein paar Getränke mehr geworden und der letzte Bus war weg. Sie nahmen ein Taxi. Morgens wachte sie auf, griff neben sich und stellte mit Schrecken fest, daß dort jemand lag. Sie zog sich erst mal zurück. -- Er erwies sich als eine dauerhafte Liebe, und sie halten es kaum ein paar Tage ohne einander aus. [Kommentar: Der Bericht ist absolut glaubhaft. Es ist erstaunlich, daß nach diesem einfachen Muster, an das man zwar oft denkt, das aber „nie” zum Erfolg führt, die beiden Richtigen zusammengekommen sind!]
--- Ich neige ganz klar dazu, ohne innere Zweifel anderen Ratschläge in Beziehungsdingen zu geben, die ich selber gebrauchen könnte und die ich selbst nicht befolge, ja, die ich sogar selbst von anderen gern hören würde, obwohl sie mir doch selbst „bekannt” sind. Ist das überhaupt zu verstehen? Es wirkt paradox.

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